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Anorektale Malformation

Der Begriff “Anorektale Malformationen” umfasst angeborene Fehlbildungen des Afters (Anus) und des Enddarms (Rektum); u.a. Analatresie, Kloakenpersistenz. Dabei endet der Darm blind oder ist mit einer kleinen Öffnung (Fistel) mit der Haut, der Harnblase oder Harnröhre verbunden.  Eine Sonderform ist die Kloakenpersistenz.

In Deutschland werden pro Jahr circa als 400 Kinder mit einer anorektalen Malformation korrigiert. Jungs sind etwas häufiger betroffen als Mädchen. Eine Ursache ist bisher nicht bekannt. Genetische wie auch andere Faktoren können der Auslöser für die Erkrankung sein.

Bei Jungs mit einer anorektalen Malformation werden folgende Formen unterschieden:

  • Analatresie ohne Fistel (Der Darm endet blind)
  • Rektoperinealer Fistel (Fistel mündet in die Haut des Damm-Bereiches)
  • Rektouethrale Fistel (Fistel mündet in unteren oder oberen Anteil der Harnröhre)
  • Blasenhalsfistel (10%)

Die häufigste Form beim Jungen ist die rektourethrale Fistel. Bei Mädchen werden folgende Formen unterschieden:

  • Analatresie ohne Fistel (Dickdarm endet blind)
  • Rektoperinealer Fistel (Fistel mündet in die Haut des Damm-Bereiches)
  • Rektovestibuläre Fistel (Fistel mündet in den Scheidenvorhof)
  • Kloakenpersistenz (Darm, Scheide und Harnröhre münden in einen gemeinsamen Kanal (common chanel). Ab einer Länge von 3 cm spricht man von einem long common chanel.

Die häufigste Variante beim Mädchen ist die rektovestibuläre Fistel. Begleitfehlbildungen finden sich bei 50-60 Prozent der betroffenen Kinder. Meist betrifft dies den Harntrakt, das Herz und den Magen-Darmtrakt. Die Ausprägung der Erkrankung zeigt eine große Variationsbreite. Bei gering ausgeprägten Formen (z.B. perineale Fistel) ist mit einer begrenzten operativen Korrektur und einer sehr guten Funktion zu rechnen. Bei komplexen Formen (wie kloakalen Fehlbildungen) kann eine Korrektur in mehreren Schritten notwendig sein. In jedem Fall ist eine umfassende und nachhaltige Anbindung notwendig, die über die eigentliche Operation hinausgeht und daher von spezialisierten Zentren, wie unserer Klinik, übernommen werden sollte.

Diagnostik

Wenige Kinder werden bereits vorgeburtlich diagnostiziert. Nach der Geburt fallen die Kinder durch eine fehlende anale Öffnung und ggf. einer Fistel auf. Gelegentlich entleert sich Mekonium und später Stuhl über die Harnröhre oder Vagina. Um Begleitfehlbildungen zu diagnostizieren erfolgt eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums, der Nieren und der Harnwege sowie des Herzens (Herzecho). Zur Abschätzung der Kontinenz wird ein Ultraschall des Rückenmarks (tethered cord) und ggf. Röntgenaufnahmen des Kreuz- und Steißbeins durchgeführt. Sollte kein Ultraschall des Rückenmarks in den ersten Monat erfolgt sein, führen wir mit einem Jahr ein MRT in Sedierung durch.

Unser Behandlungskonzept

Die operative Therapie besteht im Verschluss der Fistel sowie der Rekonstruktion einer Analöffnung im Zentrum der Schließmuskulatur (sogenannte Durchzugsoperation). Die Planung der operativen Korrektur richtet sich hierbei nach dem Vorhandensein einer Fistel. Bei perinealen und vestibulären bzw. rektourethralen Fisteln erfolgt die primäre Korrektur der anorektalen Fehlbildung (posteriore sagittale anorekto Plastik, PSARP) ohne einen künstlichen Darmausgang. Bei den übrigen Formen wird zunächst ein künstlicher Darmausgang (sogenannter Anus praeter) angelegt und nach 2-3 Monaten die definitive Korrektur durchgeführt. Beim sogenannten PSARP wird zunächst mit Hilfe eines Stimulators die Lokalisation des Schließmuskels identifiziert. Mit einer Schnittführung genau in der Mittellinie werden die Nerven geschont. Der Enddarm wird dargestellt, ggf. vom Urogenitaltrakt getrennt, mobilisiert und so weit durchgezogen, das er am Damm in das Zentrum des Schließmuskels in die Analhaut eingenäht werden kann. Bei Formen mit einer Blasenhalsfistel kann in einigen Fällen ein laparoskopisch-assistierter Eingriff sinnvoll. Die minimal-invasive Technik ist in der Regel schonenderer als ein offener Eingriff.

Bei Mädchen mit einer Kloakenpersistenz führen wir eine sogenannte totale urogenitale Mobilisation (TUM) durch. Die Operation erfolgt stets interdisziplinär mit dem Team von Professor Stein (Team Kinderurologie) im Alter von 3-6 Monaten.

Sollte ein künstlicher Darmausgang angelegt worden sein, wird dieses in einer letzten Operation nach 4-6 Wochen Verlauf verschlossen und die Darmkontinuität wiederhergestellt. Für die Durchzugsoperation muss ein stationärer Aufenthalt von etwa 5 Tagen eingeplant werden.

Nachsorge

Neben der Qualität der operativen Versorgung bestimmt die Qualität der postoperativen Nachsorge das Langzeitergebnis der korrigierten anorektalen Fehlbildung. Neugeborene mit einer Analatresie, bei denen eine primäre Korrektur (PSARP) durchgeführt wurde, bleiben in unserem Zentrum durchschnittlich eine Woche nach der Operation im Krankenhaus. Während dieser Zeit kann ein Elternzeit auf unseren kinderchirurgischen Stationen 30-2, 31-2, kinderchirurgische IMC bleiben oder beide Elternteile im Elternhaus. Die Kinder können unmittelbar postoperativ ernährt werden. Die Kinder werden bei guter Nahrungstoleranz und Gewichtsentwicklung rasch nach Hause entlassen.

Ein relativ seltenes, aber typisches Problem ist die Enge des neu geschaffenen Afters. Daher wird drei Wochen nach der Korrektur die Weite des Afters bestimmt. In wenigen Fällen muss der After durch das regelmäßige Einführen eines Metallstabs (Hegar-Stift) ausreichend weit gehalten werden.

In unser kolorektalen Nachsorgesprechstunde begleiten wir Sie multimodal durch ein Team aus . Dies ermöglicht uns eine individuelle Langzeitbetreuung der betroffenen Kinder und Ihrer Eltern. Anfangs sind die Nachsorgetermine engmaschig. Bei einem guten Verlauf können die Nachuntersuchungen später auf monatliche bis jährliche Vorstellungen gestreckt werden. Alle Kinder werden in unserem strukturierten Nachsorgeprogramm bis 18. Lebensjahr begleitet und anschließend an unsere Kollegen der Erwachsenenmedizin übergeben (Transitionssprechstunde). Wir arbeiten eng mit der Selbsthilfegruppe SOMA e.v. zusammen. Wir empfehlen, dass alle Familien mit einem Kind mit anorektaler Malformation bei SOMA angebunden werden.

Alle Patienten mit anorektaler Malformation werden in unser strukturiertes Nachsorge-Programm aufgenommen. Sie werden dabei multimodal bis zum Erwachsenenalter durch ein Team aus Kinderchirurgen (Team Viszeral), Kinderurologen (Professor Stein), Kinderneurochirurgen (Dr. Kunkel), Kindergastroenterologen (PD Dr. Adam), Kinderpsychologen (Professor Banaschewski), Physio- und Ergotherapeuten und Ernährungsberatern begleitet.

Kontakt Kolorektale Chirurgie

Prof. Dr. med. Michael Boettcher
Dr. med. Judith Felcht

Mittwoch 08:30 - 14:30 Uhr
Donnerstag 08:30 - 14:30 Uhr

Erstberatung oder Zweitmeinung
E-Mail michael.boettcher@remove-this.umm.de
Telefon 0621/383-5574


Publikationen unserer Mitarbeiter

Elrod J, Boettcher M, Mohr C, Reinshagen K. An Analysis of the Care Structure for Congenital Malformations in Germany. Dtsch Arztebl Int. 2021 Sep 6;118I processed the file.I'm waiting for feedback tomorrow(35-36):601-602. doi: 10.3238/arztebl.m2021.0213. PMID: 34789374; PMCID: PMC8647288.

Boettcher, J., ... Boettcher, M. (2021). Perceived mental health in parents of children with rare congenital surgical diseases: a double ABCX model considering gender. Orphanet Journal of Rare Diseases16(1), 1-10.

Fuerboeter, M., … Boettcher, M. (2021). Quality of life and mental health of children with rare congenital surgical diseases and their parents during the COVID-19 pandemic. Orphanet journal of rare diseases16(1), 1-12.

Boettcher, J., … Boettcher, M. (2021). Mental Health of Siblings of Children with Rare Congenital Surgical Diseases during the COVID-19 Pandemic. European Journal of Pediatric Surgery.

Boettcher, J., … Zapf, H. (2021). Being the pillar for children with rare diseases—a systematic review on parental quality of life. International journal of environmental research and public health18(9), 4993.

Boettcher, M., & Krebs, T. F. (2012). Currarinot triade. ANZ Journal of Surgery82(4), 275-275.

Kontextspalte


Soma e. V. - Selbsthilfe für Menschen mit anorektalen Fehlbildungen und Morbus Hirschsprung