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Trichter- und Kielbrust

Mit 88% aller angeborenen Veränderungen ist die Trichterbust (Pectus excavatum, „funnel chest“) die häufigste Brustwanddeformität. Dabei kommt es zum Einsinken des zumeist unteren Anteils des Brustbeines begleitet von hervorstehenden Rippenbögen.

Bei den Fehlbildungen, Trichterbrust und Kielbrust, sind die Knorpelverbindungen zwischen Brustbein und den Rippen pathologisch verändert, was im Laufe des Wachstums zu einem zunehmenden Einsinken oder Hervortreten der vorderen Brustwand führt. Die Erkrankung ist circa viermal häufiger bei männlichen als bei weiblichen Patienten. Diese Deformität kommt bei ungefähr einem von 1000 Menschen vor. Oft liegt eine isolierte Fehlbildung vor, selten ist die Trichterbrust mit Bindegewebserkrankungen, wie etwa dem Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom assoziiert. In circa einem Drittel der Fälle liegt eine familiäre Häufung vor.

Bei einer Trichterbrust können Herz und Lunge im Verhältnis zum gesamten Brustkorb erheblich in ihrer Ausdehnung eingeschränkt sein. Viele Patienten klagen daher über Herzklopfen, Kurzatmigkeit (sogenannte Restriktion = vermindertes Lungenvolumen), verminderter Belastbarkeit, sowie Brust- oder Rückenschmerzen. Je nach Ausprägung der Trichterbrust hat das dahinterliegende Herz weniger Platz und kann sich weniger gut mit Blut füllen. Im Ruhezustand macht sich das nicht bemerkbar. Bei körperlicher Belastung (z. B. beim Sport) kann das Auswurfvolumen des Herzens dem Bedarf nicht entsprechen. Viele Kinder und Jugendliche haben auch Schwierigkeiten zuzunehmen. Durch eine Operation kann in einigen Fällen die Pumpfunktion des Herzens sowie die Lungenfunktion verbessert wird.

Im Verlauf können auch Rückenschmerzen entstehen. Dies kann durch eine Fehlhaltung bzw. durch assoziierte Wirbelsäulenfehlbildungen (Skoliose, Kyphose) bedingt sein. Zudem ist eine Brustwandfehlbildung auch belastend. Insbesondere im Verlauf der Pubertät isolieren sich manche Patienten und vermeiden den Schwimmbadbesuch oder Sport in Gruppen.

Diagnostik

Bei allen Patienten wird bei entsprechender Ausprägung eine Echtzeit MRT oder eine Low-dose-CT (niedrige Strahlung) durchgeführt. Mithilfe der Schnittbilddiagnostik wird der Haller-Index (HI) errechnet. Dieser Parameter zeigt eine objektive Korrelation mit der Ausprägung der Trichterbrust. Je größer der Haller-Index, desto ausgeprägter die Trichterbrust. Bei Gesunden liegt der Haller-Index bei etwa 2,5. Eine Korrektur erfolgt ab einem Haller-Index über 3,5. Auch der Ideal-Chest-Index und der Correction-Index, die Auskunft über die Form des Brustkorbs nach einer gedachten Korrektur bzw. die Veränderung zwischen dem Zustand vor und nach der Operation geben, werden zur Bestimmung der Ausprägungsstärke der Trichterbrust aus der CT/MRT errechnet. Weitere Untersuchungen richten sich nach der Funktion der Lunge (Spirometrie) und des Herzens (Herzecho und Belastungs-EKG). Wir führen alle Untersuchungen an einem Vormittag/Nachmittag als tagesstationäre Untersuchung durch.

Unser Behandlungskonzept

Bei allen Formen empfehlen wir Übungen zur Stärkung des Rückens und der Brustmuskulatur sowie Ausdauersport in Form regelmäßiger körperlicher Aktivität (z.B. Schwimmen, Joggen) um die Haltung des Rumpfes positiv zu beeinflussen.

Bei milden Formen kann eine Saugglockenbehandlung nach Klobe (aus Mannheim) eingesetzt werden. Die Dauer der Saugglockenbehandlung erfolgt entsprechend unseres Behandlungsschemas. Alternativ kann eine Silikonprothese eingesetzt werden. Wenn die nichtoperativen Methoden ausgeschöpft sind, ist eine operative Korrektur sinnvoll. Entscheidend für OP-Indikation sind funktionelle Beschwerden wie Atemnot, Leistungsknick sowie der individuelle Leidensdruck.

Wir führen die Korrektur meist im Alter von 14-18 Jahren durch. Die Operation erfolgt minimal-invasiv nach Nuss durch (sogenannte MIRPE-Verfahren, Minimal-Invasive Rekonstruktion einer Pectus Excavatum). Bei dieser Technik wird ein zuvor individuell angepasster Metallbügel über kleine seitliche Hautschnitte unter thorakoskopischer Kontrolle (Brustkorbspiegelung) unter dem Brustbein platziert und dieses dadurch angehoben. Bei sehr ausgeprägten oder asymmetrischen Befunden werden häufig zwei Bügel verwendet. Bei Sonderformen der Brustkorbfehlbildungen wie dem Pectus arcuatum (Currarino-Silverman-Syndrom) oder einer kombinierten Kiel- und Trichterbrust greifen wir auf offene Verfahren wie die modifizierte Ravitch-Prozedur zurück.

Die Operation kann circa bis zum Alter von 30-35 Jahren durchgeführt werden. Bei noch älteren Patienten verweisen wir auf unsere Kollegen der Thoraxchirurgie.

In der Operation ist auf Wunsch eine Kryo-Behandlung (Vereisung) der Rippenbogennerven möglich, die für einige Wochen Schmerzfreiheit nach der OP ermöglich. Darüber hinaus begleiten das Schmerzteam der Anästhesie und die Physiotherapie die Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, um den Eingriff so schonend wie möglich zu gestalten. Ab dem 2. Tag können die Patienten in der Regel wieder aufstehen und ab dem 5. Tag aus der stationären Behandlung entlassen werden.

Nachbehandlung

Die Nachsorge erfolgen in der Brustwand-Spezialsprechstunde der Klink für Kinder- und Jugendchirurgie. Vier Wochen nach der Operation kann mit leichter sportlicher Aktivität wie Schwimmen begonnen werden. Kontaktsportarten wie z.B. Handball sollte sechs Monate vermieden werden. Die Entfernung des Osteosynthesematerials erfolgt meist nach drei Jahren in Vollnarkose über die gleichen Zugänge. Die Bügelentfernung ist in der Regel eine kleinere und schmerzarme Operation, sodass hierfür in der Regel nur ein sehr kurzer stationärer Aufenthalt erforderlich ist.


Sprechstunde Thoraxchirurgie

Dr. med. Richard Martel

Donnerstag 08:30 - 14:30 Uhr

Erstberatung oder Zweitmeinung
E-Mail richard.martel@remove-this.umm.de 
Telefon 0621/383-5574


Publikationen unserer Mitarbeiter

Hohneck, A., Ansari, U., Natale M., Boettcher M.,; Akin I.,; Duerschmied D., Papavassiliu, T. (2022) Description of a new clinical syndrome: Thoracic constriction without evidence of the typical funnel-shaped depression – the "invisible" pectus excavatum. J Cardiovasc Magnetic Resonance

Kloth, K., Klohs, S., Bhullar, J., Boettcher, M., Hempel, M., Trah, J., & Reinshagen, K. (2021). The epidemiology behind pectus excavatum: Clinical study and review of the literature. European Journal of Pediatric Surgery.

Wessel, L. M., & Petersen, C. (2013). Rekonstruktive Chirurgie der Thoraxwand. Monatsschrift Kinderheilkunde161(2), 108-115.

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