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Natrium (23Na) MRT

Seit kurzem steht mit der 23Na-MRT eine neue und sehr interessante Methode auch für klinische Untersuchungen zur Verfügung, die im Kontext der akuten Läsionsentwicklung wichtige zusätzliche Informationen liefern kann. Natrium-Ionen (Na+) spielen eine essentielle Rolle für die zelluläre Hämostase und elektrochemische Aktivität im menschlichen Körper.

Die ATP-abhängige Na+/K+-Pumpe in intakten zellulären Membranen unterhält einen Konzentrationsgradienten zwischen dem intra- und extrazellulären Raum ([Na+]intrazellulär = 10 bis 15 mmol, [Na+]extrazellulär = 145 mmol). Das niedriges Signal-zu-Rauschen–Verhältnis (SNR) und damit einhergehende lange Untersuchungszeiten machten die Technik lange Zeit unbrauchbar für den klinischen Alltag. Erst mit der Einführung von Hoch-Feld MR-Systemen und schnellen Datenakquisitionstechniken näherte sich diese Methode auch der klinischen Anwendung. Experimentelle und erste humane Untersuchungen bei der cerebralen Ischämie und auch bei MS haben bereits gezeigt, dass ein erhöhtes Natrium im Hirnparenchym Hinweis auf eine Zellschädigung ist. Zum einen konnte in den bisher publizierten Arbeiten zur MS gezeigt werden, dass die 23Na-MRT mit hoher Empfindlichkeit ein erhöhtes Natrium im Bereich sichtbarer Läsionen zeigen kann, aber vor allem auch sensitiv ist, um subtilere Befunde einer chronischen Gewebeschädigung bei langen Erkrankungsverläufen in der noch normal erscheinenden weissen und grauen Substanz (NAWM) zu demonstrieren. In den Untersuchungen zur cerebralen Ischämie fanden sich zudem interessante Befunde im Hinblick auf die Dynamik der Zellschädigung und des Natriumanstiegs, wobei erst mit dem Anstieg des Natriums auch ein irreversibler Gewebeschaden einherging. In experimentellen und auch humanen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Phase der reduzierten Diffusion mit einer noch nahezu normalen Natriumkonzentration einhergeht.

In dieser Hinsicht ist die 23Na-MRT eine ideale komplementäre Methode, um Informationen zur zellulären Integrität zu gewinnen, nachdem die ersten Phänomene der Mitochondrienfunktionsstörung bereits in der DWI wahrgenommen werden können. Aufgrund dieser Überlegungen könnte auch in der Frühphase der Entwicklung neuer MS Läsionen (mit lediglich reduzierter Diffusion) bei erfolgreicher therapeutischer Intervention die Möglichkeit bestehen, einen Gewebeschaden zu vermeiden oder zu verringern. Neben dem Einsatz von Methylprednisolon in der akuten Schubtherapie liegen aus experimentellen Untersuchungen erste Therapieversuche vor, um die mitochondriale Funktionsstörung in der Akutphase der Entzündung bei der experimentellen allergischen Encephalomyelitis (EAE) günstig zu beeinflussen.

In einer ersten eigenen Querschnittsstudie mit 23Na-MRT an 65 MS Patienten konnten wir die Ergebnisse der bisherigen Studien bestätigen und erweitern: i) Die gemessenen quantitativen Natrium Werte entsprechen dem erwarteten Konzentrationsbereich und decken sich mit den Erfahrungen der vorgenannten Arbeitsgruppen, ii) weiterhin konnten wir auch zeigen, dass akut KM-aufnehmende, T1-hypointense („black holes“) und T1-isointense Läsionen (in absteigender Reihenfolge) einen höheren Natriumgehalt aufweisen als die NAWM (Abbildung 1). Zusätzlich konnten wir erstmals eine quantitative Natriumanalyse bei akuten Läsionen mit eingeschränkter Diffusion durchführen. Dabei zeigten akute MS Läsionen mit eingeschränkter Diffusion (noch) ohne KM-Aufnahme vergleichbare Natriumwerte zur NAWM (Abbildung 2).

Abbildung 1: Multiparametrische MRT Bildgebung einer (A) akut-Kontrastmittelaufnehmenden Läsion und (B) einer chronischen T1-hypointensen Läsion („black hole“). Während die akut KM-aufnehmende Läsion ein stark erhöhtes Natrium-Signal aufweist (Pfeil), findet sich in der chronischen Läsion ein weniger stark erhöhtes Natrium-Signal (Pfeilspitze).

Abbildung 2: Darstellung einer akuten MS Läsion mit reduzierter Diffusion (manuell umrandet in rot) und einer chronischen, T1-hypointensen Läsion („black hole“), violett markiert). Die akute Läsion mit reduzierter Diffusion imponiert in der DWI hyperintens und mit einer Signalminderung in der korrespondierenden ADC-Kartierung, einer zytotoxischen Zellschwellung entsprechend. Im KM-unterstützten T1w-Bild findet sich in der akuten Läsion noch keine KM-Aufnahme und passend dazu ist auch die Hyperintensität im FLAIR Bild ist nur sehr flau ausgeprägt, einem sehr frühen Stadium der Läsionsentwicklung entsprechend. Der korrespondierende Bereich zeigt im 23Na-MRT Bild noch keinen sichtbaren Natriumanstieg. Demgegenüber zeigt die chronische Läsion wie zu erwarten eine deutliche Hyperintensität im FLAIR Bild, Hypointensität im T1w Bild, eine erhöhte Diffusion in der ADC Kartierung und auch ein erhöhtes Natrium.
Abbildung 1&2 aus: Eisele et al. Heterogeneity of acute multiple sclerosis lesions on sodium (23Na) MRI. Mult Scler. 2016 Jul;22(8):1040-1047

„Time is brain“ ist ein Schlagwort in der Therapie der akuten cerebralen Ischämie aber nicht bei der MS. Aufgrund der vorliegenden experimentellen und humanen Befunde könnte auch bei der MS eine möglichst rasche Therapie im Falle geeigneter akuter Läsionen ein sinnvolles Therapieziel werden. Unsere Befunde sprechen dafür, dass früh in der Läsionsentwicklung eine Phase einer relativen zellulären Unversehrtheit besteht, obwohl die Gewebediffusion bereits reduziert ist. In dieser Phase ist die Natriumkonzentration im Bereich der Läsion noch nahezu normal. In dieser Konstellation könnte eine Therapie (z.B. mit Kortikosteroiden) besonders effektiv sein und zu einem günstigen Outcome führen. Im akuten Schub könnte die Kombination von DWI und 23Na-MRT diese Befundkonstellation visualisieren und helfen, günstige und ungünstigere Ausgangssituationen der Gewebeschädigung zu identifizieren.

Motiviert durch diese Erfahrungen mit der konventionellen MRT, der DWI in Kombination mit der Natrium MRT in der akuten Ischämie und Pilotuntersuchungen bei MS lag der Fokus eines Folgeprojekts auf der Charakterisierung von akuten MS Läsionen mittels Natrium 23Na-MRT unter Einbeziehung der DWI und konventionellen (T1, T1 mit Kontrastmittel, T2, T2-FLAIR) MRT im zeitlichen Verlauf. Insbesondere wurden akute Läsionen mit eingeschränkter Diffusion noch vor der Phase der KM-Aufnahme untersucht und longitudinal in Verlaufsuntersuchungen charakterisiert. Hierbei wurden detailliertere Informationen über die Gewebeschädigung bei neuen MS Läsionen gewonnen, um den phasenhafte Verlauf der akuten Läsionsentwicklung mittels dieser Methoden exakter zu modellieren (Abbildung 3). Diffusionsgeminderte, aber noch nicht deutlich KM-aufnehmende MS Läsionen könnten als Ziel einer auf die Akutphase der Läsionsentwicklung ausgerichteten Therapie identifiziert werden.

Wir postulieren, dass die frühe Phase der Läsionsentstehung ein potentiell reversibles Stadium darstellt. Die Zusatzinformation aus der 23Na-MRT kann die Gewebeintegrität in der Frühphase der Läsionsentwicklung weiter differenzieren.

Abbildung 3: Serielle multiparametrische MRT Bildgebung einer hyperakuten Läsion links fronto-parietal mit initial reduzierter Diffusion. Während die hyperakute Läsion im Stadium der ADC-Minderung noch keinen Natrium-Anstieg aufweist, zeigt sich nach 7 bzw. 12 Tagen parallel zur Ausbildung eines vasogenen Ödems und Zusammenbruch der Bluthirnschranke mit akuter Kontrastmittelaufnahme ein deutlich erhöhter Natrium-Anstieg. Nach Abklingen der akuten Entzündungsaktivität und Rückgang des vasogenen Ödems zeigt sich auch der Natrium-Anstieg im Verlauf wieder rückläufig.

Kontextspalte

Prof. Dr. med. Achim Gass

Professur für Neurologische Bildgebung

Prof. Dr. med. Kristina Szabo

Leitende Oberärztin

Prof. Dr. med. Philipp Eisele

Oberarzt